Medizinrecht: OLG Oldenburg 13.11.2019 5 U 108/18
Mit Urteil vom 13.11.2019 (Aktenzeichen 5 U 108/18) hat der 5. Zivilsenat des OLG Oldenburg einem heute 8-jährigen Mädchen aus dem Landkreis Gütersloh 500.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen und festgestellt, dass die beklagte Klinik aus dem Landkreis Osnabrück sowie die beklagte Ärztin zudem verpflichtet sind, dem Mädchen sämtlichen Vermögensschaden zu ersetzen, der ihr aus den Kunstfehlern anlässlich ihrer Geburt entstanden ist oder zukünftig entstehen wird.
Das Mädchen hat als Folge einer Sauerstoffunterversorgung vor der Geburt einen schweren Hirnschaden erlitten; sie ist schwerstbehindert und wird Zeit ihres Lebens immer auf fremde Hilfe angewiesen sein.
Zu der Schädigung war es gekommen, weil ca. 45 Minuten vor der Entbindung die Herzfrequenz des Kindes sehr stark abgefallen war (sog. Bradykardie); in diesem Zeitraum zeichnete indessen das CTG (sog. Wehenschreiber) für ca. 10 Minuten keinen Herzschlag auf, weder den des Kindes noch den der Mutter; als nach 10 Minuten im CTG ein Herzschlag mit normgerechter Frequenz wieder erfasst werden konnte, hielten die Ärzte dies für den Herzschlag des Kindes in der Annahme, es habe sich wieder erholt. Tatsächlich handelte es sich allerdings um den Herzschlag der Mutter. Als man den Irrtum später bemerkte, war die Klägerin durch die Sauerstoffunterversorgung bereits erheblich geschädigt.
Dieses Vorgehen stellt einen groben Behandlungsfehler da, so der Senat unter Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. Die behandelnden Ärzte hätten sich angesichts des Verdachts auf einen kindlichen Herzfrequenzabfall auf andere Weise davon überzeugen müssen, dass es dem Kind gut geht, z.B. durch eine sog. Kopfschwartenelektrode; keinesfalls hätte man sich angesichts der bedrohlichen Situation über einen Zeitraum von 10 Minuten mit einem nicht aussagekräftigen CTG zufrieden geben dürfen.
Weil die Beklagten bereits aus diesem Grund der Klägerin hafteten, musste sich der Senat mit den weiteren Vorwürfen gegen die Klinik, dass nämlich die Reanimation nach der Geburt nicht sofort begonnen wurde, dass kein Beatmungsbeutel nach der Geburt zur Verfügung gestanden hatte, dass die Maskenbeatmung nach der Geburt versehentlich ohne Druck erfolgt und dass der verständigte Notarzt 10 Minuten zu spät erschienen war, nicht weiter auseinandersetzen.
Der Senat hat mit seinem Urteil ein im Wesentlichen gleichlautendes Urteil des Landgerichts Osnabrück bestätigt; das zuerkannte Schmerzensgeld sei in jedem Fall angemessen; weil nur die Beklagten Berufung eingelegt hatten, musste sich der Senat mit der Frage eines höheren Schmerzensgeldes nicht befassen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Oberlandesgericht Oldenburg, Az. 5 U 108/18, Urteil vom 13. November 2019.
Nr. 45/2019
Bettina von Teichman und Logischen
Oberlandesgericht Oldenburg
Pressestelle
Richard-Wagner-Platz 1
26135 Oldenburg
Der EuGH hat mit Urteil vom 4. Juli 2019 Folgendes entschieden:
Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoßen, dass sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat.
Die Abschaffung der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze kann einige Monate dauern, da in diesem Fall auch die Rechtsgrundlage der HOAI angepasst werden muss. Jedoch ist zu beachten, dass ab sofort die Mindest- und Höchstsätze schon nicht mehr verbindlich sind.
Das vollständige Urteil des EuGH finden Sie hier!
13.07.2016
Quelle: IBRRS 2016, 2032;IMRRS 2016, 1235
Gewerberaummiete
Keine Überwälzung der Schönheitsreparaturen bei unrenoviert übergebenen Räumen!
OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2016, 2 U 45/16
BGB §§ 307, 535 Abs. 1 Satz 2, § 538
Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der formularmäßigen Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen einer dem Mieter unrenoviert übergebenen Wohnung ohne die Gewährung eines angemessenen Ausgleichs ist auf die Vermietung unrenoviert übergebener Geschäftsräume zu übertragen.*)
OLG Celle, Urteil vom 13.07.2016 - 2 U 45/16
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 4. April 2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit, bis zum 1. August 2016 Stellung zu nehmen und gegebenenfalls ihre Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe
Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO, unter denen der Senat die Berufung der Klägerin nach pflichtgemäßem Ermessen im schriftlichen Verfahren durch Beschluss zurückzuweisen hat, dürften vorliegen:
I.
Die Berufung der Klägerin bietet offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das Landgericht die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen haben dürfte, ohne dabei das rechtliche Gehör der Klägerin oder materielles Recht zu verletzen. Denn die Klage ist sowohl hinsichtlich der geltend gemachten Abgeltung für nicht durchgeführte Schönheitsreparaturen (nebst Zinsen), der Kosten des Sachverständigen A. (nebst Zinsen) als auch der Rechtsanwaltskosten (nebst Zinsen) unbegründet:
1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Kostenersatz in Höhe von 21.869,06 Euro (nebst Verzugszinsen) gegen den Beklagten unter keinem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt zu:
a) Mit Recht hat das Landgericht einen Zahlungsanspruch aus einem Anerkenntnis des Beklagten verneint, wobei es ausweislich des Tatbestandes sowohl die Auffassung der Klägerin zu einem Anerkenntnis des Beklagten als auch den zur Akte gelangten umfangreichen Schriftverkehr der Parteien in Gestalt der von den Parteien eingereichten Anlagen (unter anderem über die Frage, ob der Beklagte Schönheitsreparaturen selbst vornehmen oder eine Abschlagszahlung leisten sollte bzw. wie hoch eine solche anzusetzen sei) nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern in den Entscheidungsgründen auch gewürdigt hat, wenn auch diese Würdigung nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis geführt hat.
Auch der Senat gelangt unter Auswertung des Schriftverkehrs der Parteien nicht zu der Annahme eines Anerkenntnisses des Beklagten, und zwar weder eines konstitutiven noch eines deklaratorischen:
Mit dem Landgericht ist der Senat der Ansicht, dass sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 15. September 2014 (Anlage B 2, Bl. 68 d. A.) nichts dergleichen ergibt. Der Wortlaut
"[...] in Ansehung des zum 30.09.2014 endenden Mietverhältnisses bedarf es noch einer abschließenden Klärung der vorzunehmenden Schönheitsreparaturen.
Ausweislich § 18 Abs.2 des Mietvertrages sind wir als Mieter verpflichtet die laufenden Schönheitsreparaturen fachgerecht vorzunehmen, wenn das Aussehen der Räume mehr als nur unerheblich den Gebrauch beeinträchtigt.
Nach unserem Kenntnisstand wollen Sie vor dem Bezug des Gebäudes Umbaumaßnahmen durchführen. In diesem Fall würden die von uns durchgeführten Schönheitsreparaturen sinnlos. Ihnen steht dann jedoch ein Ausgleichsanspruch in Geld zu, der aus den Materialkosten und einem Eigenlohn besteht. Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die Vereinbarung aus dem Mietvertrag keine Verpflichtung enthält, einen Fachbetrieb zu beauftragen, sondern lediglich die Arbeiten fachgerecht auszuführen.
Die Materialkosten können anhand des bekannten Aufmaßes errechnet werden.
[...]
Rein vorsorglich sei an dieser Stelle noch der Hinweis erlaubt, dass die mietvertragliche Vereinbarung in § 18 des MV eine Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen ausschließlich für die Mietfläche vorsieht, für die das Aussehen den Gebrauch mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Dies trifft nicht auf die gesamte Mietfläche zu, so dass unsererseits Schönheitsreparaturen auch nicht für alle Mieträume geschuldet werden.
Der Einfachheit halber legen wir dennoch für unsere Berechnung die o. g. Gesamtfläche zu Grunde. [...]
Insgesamt beläuft sich damit die geldwerte Hauptleistung auf einen Betrag von 3.750,00 Euro.
Unter Berücksichtigung etwaiger Streicharbeiten an den Heizkörpern dürfte sich ein Gesamtkostenaufwand von 4.000,00 Euro ergeben.
Eine Reinigung des Teppichbodens wird nicht geschuldet, da dieser seine durchschnittliche Lebensdauer bereits überschritten hat.
Zur Abgeltung etwaiger Schönheitsreparaturverpflichtungen bieten wir Ihnen daher eine Zahlung in Höhe von 4.000,00 Euro an.
[...]
Sollten wir uns nicht vergleichsweise einigen können, würden wir die Schönheitsreparaturen bis zum Vertragsende selber durchführen, so dass wir uns erlauben Ihrer Rückmeldung kurzfristig bis zum 18.09.2014 entgegenzusehen." (Hervorhebungen im Fettdruck durch den Senat)
gibt dafür nichts her: Der Beklagte nimmt hier lediglich Bezug auf den Inhalt des Mietvertrags und eine möglicherweise daraus resultierende Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen, über deren Umfang dann weiterer Streit entstehen könnte, weil aus seiner Sicht jedenfalls nicht alle Räume betroffen sind. Das ist Hintergrund des unterbreiteten Vergleichsvorschlags, für den der Beklagte zur Vermeidung weiteren Rechenaufwands - der Einfachheit halber - die Gesamtfläche zugrunde legt. Keinesfalls kommt in diesem Schreiben an irgendeiner Stelle zum Ausdruck, Schönheitsreparaturen auf jeden Fall und in einem ganz konkreten Umfang zu schulden. Den Teppichboden nimmt der Beklagte dabei von vornherein heraus, weil er sich insoweit bereits dem Grunde nach nicht verpflichtet sieht. Erst recht nicht wollte der Beklagte sich mit diesem Schreiben auf jeden Fall zu einer Zahlung statt zu einer Durchführung in Eigenregie verpflichten. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 18. September 2014 (Anlage B 4, Bl. 71 d. A.) mochte auch die Klägerin sich noch nicht festlegen, ob sie das Vergleichsangebot annimmt oder nicht. Vielmehr bat sie den Beklagten ausdrücklich,
"vorerst keine Renovierungsarbeiten vorzunehmen. [...]" (Hervorhebung im Fettdruck durch den Senat)
Mit der E-Mail vom 23. September 2014 (Anlage K 4, Anlagenband Kläger) wollte der Beklagte sich erkennbar nur gegenüber möglichen Ansprüchen der Klägerin wegen nicht rechtzeitiger Vornahme etwaiger Schönheitsreparaturen absichern. Dass er davon ausging, auf jeden Fall und in welchem konkreten Umfang solche zu schulden, steht dort gerade nicht:
"[...] Sie teilten mit, dass Ihre Mandantschaft noch keine abschließende Entscheidung über die durchzuführenden Baumaßnahmen [...] getroffen haben.
Vor dem Hintergrund des zum 30.09.2014 endenden Mietvertrages und der sich daraus für uns ergebenden Verpflichtung notwendige Schönheitsreparaturen durchzuführen, bitte ich um Bestätigung, dass die Vornahme von etwaiger Schönheitsreparaturen nicht bis zum 30.09.2014 geschuldet wird und Sie wegen einer späteren Durchführung uns gegenüber keine Schadensersatzansprüche geltend machen. [...]"
(Hervorhebungen im Fettdruck durch den Senat)
Vielmehr standen die Parteien nach wie vor in Verhandlungen über einen Vergleich in der Gestalt, wie ihn der Beklagte vorgeschlagen hatte: nämlich eine pauschale Abgeltung zur Vermeidung von Streitigkeiten über den Umfang etwaiger Schönheitsreparaturen und den mit der Durchführung verbundenen Aufwand. Nichts anderes kommt in der Antwort der Klägerin in der E-Mail vom 25. September 2014 (Anlage K 5, Anlagenband Kläger) zum Ausdruck:
"[...]
in vorgenannter Angelegenheit nehme ich Bezug auf das zwischen uns heute geführte Telefonat und Ihre E-Mail vom 23.09.2014. Namens meiner Mandantin bitte ich Sie, keine Schönheitsreparaturen etc. vorzunehmen und Verhandlungen mit Herrn P. M. über die Höhe des zu leistenden Betrages für die Abgeltung des Anspruchs meiner Mandantin auf Durchführung von Schönheitsreparaturen sowie Beseitigung von Beschädigungen aufzunehmen. [...]"
(Hervorhebungen im Fettdruck durch den Senat)
Auch die Einschaltung des Sachverständigen A., der im November 2014 für die Klägerin die Verhandlungen über die Höhe weiter führte, konnte keine Einigung mit dem Beklagten herbeiführen, wie sich aus dem Inhalt seiner E-Mails an Herrn M. vom 24. November 2014 und 26. November 2014 (Anlagen K 10 und K 11, Anlagenband Kläger) ergibt. Folgerichtig richtete sich der Beklagte mit Schreiben vom 27. November 2014 noch einmal selbst an die Klägerin mit dem Ziel einer schnellen, pauschalen Abgeltung:
"[...] Noch immer ungeklärt sind Maßnahmen in Bezug auf etwaig durchzuführende Schönheitsreparaturen (§ 18.2 des MV v. 09.10.2009).
[...]
Vorausschickend möchten wir mitteilen, dass uns nach wie vor das Recht zusteht, die Durchführung der notwendigen Arbeiten selbst zu veranlassen. Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir von diesem Recht aus Gebrauch machen werden, soweit wir dadurch die Kosten für uns günstiger gestalten können.
Grundsätzlich wollen aber auch wir uns einer Regelung in Form einer Abgeltungszahlung nicht verschließen. Dies kann jedoch aus folgenden Gründen nicht auf Grundlage der von Herrn A. vorgelegten Kostenermittlung erfolgen:
1.
Herr A. schließt in seine Kalkulation sämtliche Räumlichkeiten ein. Unsere Verpflichtung aus § 18.2 des MV bezieht sich jedoch lediglich auf die "notwendigen Schönheitsreparaturen". Nach der damaligen Begehung mit einem Malerfachbetrieb wurde festgestellt, dass nicht grundsätzlich alle Gebäudeteile renovierungsbedürftig sind. Dies bezieht sich insbesondere auf die Räumlichkeiten, die von uns eher wenig genutzt worden sind.
2.
Herr A. bringt zudem Einzelpreise in Ansatz, die über den von uns eingeholten Kostenvoranschlägen liegen. [...]
3.
Die Kostenermittlung enthält die Position "Textiler Bodenbelag" mit einem Betrag von ca. 31.000,00 Euro netto. Der Bodenbelag ist weit über 10 Jahre alt. Die Lebensdauer des Fußbodens ist damit bereits abgelaufen. Der Mieter schuldet hierfür keinen Ersatz. Hierüber konnte mit Herrn A. bereits Einigkeit erzielt werden.
4. Soweit über etwaig geschuldete Schönheitsreparaturen fiktiv abgerechnet werden soll, fällt selbstverständlich auch keine Umsatzsteuer an. Es ist folglich nur der Nettobetrag in Ansatz zu bringen.
Soweit Sie auch weiterhin an einer finanziellen und vor allem schnellen Lösung interessiert sind, können wir Ihnen - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und in Abgeltung aller Ansprüche - eine Zahlung von 8.000,00 Euro innerhalb von 14 Tagen zusagen. Mit dem Betrag hätten wir unser Angebot vom 15.09.2014 verdoppelt.
Für einen ggf. höheren Betrag wäre ein Vorstandsbeschluss erforderlich. Hierfür bedarf es einer detaillierten juristischen Prüfung. Wir müssten dann unter anderem die Räumlichkeiten noch einmal von einer Fachfirma begutachten lassen, um den Umfang, die Notwendigkeit und die Ausführung der Arbeiten dem Vorstand gegenüber darlegen zu können.
Da auch wir die Angelegenheit nun endlich zum Abschluss bringen möchten, teilen Sie uns doch bitte zeitnah mit, wie Sie verfahren möchten.
[...]"
(Hervorhebungen im Fettdruck durch den Senat)
Auf das Rechtsanwaltsschreiben vom 21. März 2015 (Anlage K 14, Anlagenband Kläger) mit einem Gegenangebot sowie einer vorsorglichen Zahlungsaufforderung über 24.082,76 Euro zzgl. Umsatzsteuer hat der Beklagte mit Schreiben vom 27. März 2015 (Anlage K 15, Anlagenband Kläger) entsprechend reagiert:
"[...]
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 21.03.2015.
Der darin von Ihnen dargelegte Sachverhalt nebst der sich für Ihre Mandantschaft ergebenden Rechtsschlüsse weicht jedoch in weiten Teilen von unserer Wahrnehmung ab, so dass wir Ihnen die Angelegenheit noch einmal aus unserer Sicht aufzeigen möchten:
[...]
Richtig ist auch, dass wir bisher die Vereinbarung in § 18.2 des Mietvertrages für wirksam hielten. Vor dem Hintergrund der neuesten Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 18.03.2015 - VIII ZR 185/14) ist diese Rechtsauffassung u. U. nicht mehr haltbar.
[...]
Es ist daher schlichtweg falsch, wenn Sie nunmehr in Ihrem Schreiben vom 21.03.2015 behaupten, dass wir uns mit Ihrer Mandantschaft geeinigt hätten, anstelle der Schönheitsreparaturen einen Abgeltungsbetrag zu zahlen.
Die Abgeltung war für den Fall angeboten worden, dass Umbauarbeiten durchgeführt werden sollten, so dass etwaig durchgeführte Schönheitsreparaturen zerstört worden wären.
Unser Anliegen kam in unserer von Ihnen zitierten E-Mail vom 23.09.2014 noch einmal deutlich zum Ausdruck, als wir formulierten:
[...]
Soweit Sie nun vortragen, dass Sie unsere Kritikpunkte in Ihrem jetzigen Vergleichsvorschlag verarbeitet haben, können wir dies nicht bestätigen.
[...]"
(Hervorhebungen im Fettdruck durch den Senat)
In der Tat hebt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis den in Frage stehenden Anspruch nicht auf eine Anspruchsgrundlage, sondern verstärkt diesen dadurch, dass er ihn den Einwänden des Anspruchsgegners entzieht. Das ist hier aber zu keinem Zeitpunkt geschehen, da die Parteien keine inhaltliche Einigung erzielen konnten:
Der Beklagte hat immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass er zwar die Verpflichtung aus dem Mietvertrag als solche für wirksam halte (wiederholte Bezugnahme auf § 18 Abs. 2 des Mietvertrages), aber nicht sicher sei, ob und in welchem Umfang er tatsächlich Schönheitsreparaturen durchführen müsse ("etwaig") bzw. diese wegen beabsichtigter Umbauarbeiten der Klägerin wirtschaftlich sinnlos sein könnten, und daher einen Vergleich vorgeschlagen ("Ausgleichsanspruch", "Abgeltungszahlung anstelle der Schönheitsreparaturen"). Einzelne Positionen - Teppichboden - hat er dabei jedoch von vornherein ausgenommen sowie sich vorbehalten, ggf. - aus Kostengründen - doch noch selbst Schönheitsreparaturen durchzuführen ("selber durchführen, wegen einer späteren Durchführung"). Ein wie auch immer gearteter Verzicht auf die Geltendmachung von Einwänden gegenüber Ansprüchen der Klägerin war damit nicht verbunden; weder hat der Beklagte seinen Vorschlag selbst so verstanden noch durfte die Klägerin ihn nach §§ 133, 157 BGB so verstehen.
Im Gegenteil: Mit dem Vergleichsvorschlag vom 15. September 2014 wollte der Beklagte offensichtlich die Angelegenheit "Schönheitsreparaturen" dem Grunde und der Höhe nach schnell, vollständig und pauschal ("der Einfachheit halber") erledigen und sämtlichen Streitigkeiten darüber vorbeugen. Diesem erkennbar verfolgten Zweck hätte ein deklaratorisches Anerkenntnis eines Ausgleichsanspruchs dem Grunde nach aus Sicht des Beklagten gerade nicht genügt, wie der spätere Streit der Parteien über den Umfang der geschuldeten Schönheitsreparaturen und die Höhe eines daraus resultierenden Ausgleichsanspruchs eindrucksvoll zeigt. Der Beklagte hat der Klägerin am 15. September 2014 mitnichten ein Angebot auf Abschluss eines Anerkenntnisvertrags, sondern ein Angebot auf Abschluss eines Vergleichs unterbreitet. Dass im Rahmen der Verhandlungen über den Abschluss eines solchen Vergleichs der Schwerpunkt dann auf der Höhe des Abgeltungsbetrages gelegen hat, ändert daran nichts.
Selbst wenn der Vertreter der Klägerin am 23. und 25. September 2014 telefonisch gegenüber dem Vertreter des Beklagten erklärt haben sollte, dass die Klägerin Umbaumaßnahmen durchführen werde und dass es einer Vornahme von Schönheitsreparaturen sowie einer Beseitigung von Beschädigungen durch den Beklagten nicht bedürfe sowie die Klägerin einen Ausgleichsanspruch der Höhe nach gegenüber dem Beklagten geltend machen werde, und der Vertreter des Beklagten damit einverstanden gewesen sein sollte, lässt dies nicht auf einen Anerkenntnisvertrag den Ausgleichsanspruch der Klägerin dem Grunde nach betreffend schließen: Denn zum einen hat die Klägerin damit in Bezug auf die - durch Umbaumaßnahmen überflüssige - Vornahme von Schönheitsreparaturen lediglich Selbstverständliches bekundet, wogegen der Beklagte nach seinem bereits im Schreiben vom 15. September 2014 angedeuteten Wunsch ohnehin nichts einzuwenden hatte. Zum anderen hätte der Beklagte sich gegen die angekündigte Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs der Höhe nach nicht wehren können, während eine Bezifferung der Vorstellungen der Klägerin zwecks Verhandlungen über die Höhe der pauschalen Abgeltung zielführend sein konnte, lag doch bis dahin nur das Angebot des Beklagten über den Pauschalbetrag von 4.000,-- Euro auf dem Tisch. Einer Vernehmung der für den Inhalt der beiden Telefonate benannten Zeugen bedurfte und bedarf es deshalb nicht.
b) Zutreffend hat das Landgericht einen Ersatzanspruch der Klägerin aus § 280 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 18.2 des Mietvertrages abgelehnt:
(1) Der Beklagte schuldet bereits dem Grunde nach keine Durchführung von Schönheitsreparaturen, weil § 18.2 des Mietvertrages vom 9. Oktober 2009 gemäß §§ 310 Abs. 1 S. 2, 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Voraussetzung für eine Überwälzung der Erhaltungspflicht aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB von der Klägerin (bzw. deren Rechtsvorgängerin) auf den Beklagten wäre eine wirksame Vereinbarung zwischen den Mietparteien. Die Mietparteien haben in § 18.2 des Mietvertrages vom 9. Oktober 2009 zwar Folgendes vereinbart:
"Die laufenden Schönheitsreparaturen hat der Mieter während der Mietzeit auf eigene Kosten fachgerecht vorzunehmen. Zu den Schönheitsreparaturen gehören das Streichen von Wänden, Decken und Böden, Heizkörpern einschließlich Rohren, Innentüren sowie Fenstern und Außentüren von innen. Die Schönheitsreparaturen sind fachgerecht, dem Zweck und der Art der Mieträume entsprechend regelmäßig auszuführen, wenn das Aussehen der Räume mehr als nur unerheblich den Gebrauch beeinträchtigt."
(Hervorhebungen im Fettdruck durch den Senat)
Diese Klausel der Vermieterin hält jedoch als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle nach §§ 310, 307 BGB nicht stand:
(a) Zwar hat der Bundesgerichtshof bislang ähnlich gelagerte Fälle nur betreffend die Vermietung von Wohnräumen entschieden. Mit Urteil vom 18. März 2015 (VIII ZR 185/14, NJW 2015, 1594) hat er seine Rechtsprechung dahingehend geändert, dass die formularmäßige Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen dann gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei, wenn die Wohnung - wie im entschiedenen Fall - den Mietern ohne angemessen Ausgleich nicht renoviert oder renovierungsbedürftig überlassen werde. Ausgangspunkt sei, dass der Mieter auch bei Übernahme einer nicht renovierten oder renovierungsbedürftigen Wohnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nur zu den auf seine eigene Vertragszeit entfallenden Renovierungsleistungen verpflichtet werden dürfe. Er dürfe zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung - jedenfalls nicht ohne Gewährung eines angemessenen Ausgleichs durch den Vermieter - formularmäßig nicht mit der Beseitigung von Gebrauchsspuren der Wohnung belastet werden, die bereits in einem vorvertraglichen Abnutzungszeitraum entstanden seien. Denn in Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung führe eine solche Klausel, die den Mieter - ohne angemessenen Ausgleich - zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters verpflichte, jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsse als er sie selbst vom Vermieter erhalten habe. Die Verpflichtung des Mieters zur Vornahme während des Mietverhältnisses anfallender Schönheitsreparaturen lasse sich bereits nach dem Wortlaut derartiger Regelungen nicht auf nach Mietbeginn entstehende Abnutzungsspuren beschränken. Denn sie stellten nicht auf den Zeitpunkt der Verursachung, sondern auf den Zeitpunkt der Renovierungsbedürftigkeit ab und schlössen damit den vom Vormieter mitverursachten Renovierungsbedarf ein.
Allerdings - so der Bundesgerichtshof (aaO) - sei eine solche Vornahmeklausel nicht bereits deshalb unwirksam, wenn sie so formuliert sei, dass sie sowohl auf renoviert als auch auf nicht renoviert oder renovierungsbedürftig überlassene Wohnungen Anwendung finden könne. Zwar erfolge die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB auf der Grundlage einer generalisierenden Betrachtungsweise des Klauselinhalts; sie dürfe aber den konkreten Vertragsgegenstand nicht außer Acht lassen. Bei der Inhaltskontrolle im Individualprozess sei daher jeweils danach zu unterscheiden, ob der Gegenstand der Renovierungsverpflichtung des Mieters eine bei Vertragsbeginn renovierte oder eine nicht renovierte bzw. renovierungsbedürftige Wohnung sei. Soweit streitig sei, ob der Vermieter dem Mieter bei Vertragsbeginn die Wohnung nicht renoviert oder renovierungsbedürftig übergeben habe, bedürfe es tatrichterlicher Feststellungen.
Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO) zur Unwirksamkeit der formularmäßigen Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen einer dem Mieter unrenoviert übergebenen Wohnung ohne die Gewährung eines angemessenen Ausgleichs ist auf die Vermietung von Geschäftsraum zu übertragen (vgl. Landgericht Lüneburg, Urteil vom 4. August 2015 - 5 O 353/14 -, NJW 2016, 578; Lützenkirchen in NZM 2016, 113, 116; Schmidt in NJW 2016, 1201, 1204 mit kritischen Anmerkungen; Lindner-Figura/Reuter in NJW 2016, 1059, 1061; Drettmann in NJW 2015, 3694, 3695; Boerner in NZM 2015, 686, 689; Lehmann-Richter in NJW 2015, 1594 [Anmerkung zu BGH VIII ZR 185/14]; Lehmann-Richter in NZM 2014, 818, 821; BGH, Urteil vom 6. April 2005 - XII ZR 308/02 -, NJW 2005, 2006 noch zur Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur Wohnraummiete auf die Geschäftsraummiete unter § 9 AGBG).
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs begründet nämlich die Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung, dass ein derartiges Klauselwerk dahingehend ausgelegt werden könne, dass die üblichen Renovierungsfristen erst mit dem Beginn des Mietverhältnisses zu laufen beginnen (vgl. BGH NJW 1988, 2790), mit der Rechtsentwicklung zu einer strengeren Klauselkontrolle, welche die einschränkende Auslegung der Klausel nicht mehr zulasse, weil sie nach heutiger Sichtweise als unzulässige geltungserhaltende Reduktion der Klausel auf den gerade noch zulässigen Inhalt eingestuft würde. Ausdrücklich verweist der VIII. Zivilsenat dabei auf seine Rechtsprechungsänderung zu Renovierungsfristen. Während früher bei der Vereinbarung starrer Fristen eine korrigierende Auslegung für den Ausnahmefall vorgenommen wurde, dass trotz Ablaufs üblicher Renovierungsfristen eine Vornahme von Schönheitsreparaturen nicht erforderlich war, gilt seit der Entscheidung vom 23. Juni 2004 (vgl. NJW 2004, 2586), dass eine derartige Klausel mit starren Fristen insgesamt unangemessen und unwirksam ist, weil sie auch den vorgenannten Ausnahmefall erfasst und den Mieter in dieser Konstellation unangemessen benachteiligt. Dieser Rechtsprechung ist der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (vgl. NJW 2008, 3772, 3723) für das gewerbliche Mietrecht mit der Begründung gefolgt, dass die Unwirksamkeit einer starren Fristenregelung für Schönheitsreparaturen durch den Mieter in Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus der gesetzlichen Wertung folge, die insoweit nicht zwischen Wohnungsmiete und gewerblicher Miete unterscheide, und dass der Schutzzweck in Bezug auf starre Fristenregelungen für Schönheitsreparaturen bei gewerblichen Mietverhältnissen nicht grundsätzlich anders zu bewerten sei als bei der Wohnraummiete. Für den Bereich der Schönheitsreparaturen fehle eine Privilegierung des Wohnraummieters. Vor diesem Hintergrund der Parallelität der Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Schönheitsreparaturen im Bereich der gewerblichen Miete und der Wohnraummiete ist es nicht zu rechtfertigen, die neue Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit der Abwälzung von Schönheitsreparaturen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen bei unrenoviert überlassenem Wohnraum nicht auf die Vermietung von Gewerberaum zu übertragen. Vielmehr ist die Übertragung die Konsequenz aus der strengeren Rechtsprechung zur Klauselkontrolle bei Schönheitsreparaturverpflichtungen, die der XII. Zivilsenat für den Fall der starren Fristenregelung bereits übernommen hat. Der XII. Zivilsenat (vgl. NJW 2005, 2006, 2007) hat außerdem bereits in seiner Entscheidung zur Unwirksamkeit der Kombination einer Endrenovierungsklausel mit einer solchen über turnusmäßig vorzunehmende Schönheitsreparaturen die Rechtsprechung zur Wohnraummiete übernommen, welche sanktioniert, dass dem Mieter in diesen Fällen ein Übermaß an Renovierungspflichten auferlegt wird. Es könne nicht von einer geringeren Schutzbedürftigkeit des Geschäftsraummieters ausgegangen werden (vgl. BGH, aaO). Das gilt gerade auch für die Vereinbarung einer AGB-Klausel über turnusmäßige Schönheitsreparaturen, wenn die Räume unrenoviert bzw. renovierungsbedürftig übergeben wurden und kein angemessener Ausgleich gewährt wurde.
(b) Angewandt auf den streitgegenständlichen Fall führen diese Grundsätze zur Unwirksamkeit des § 18.2 des Mietvertrages:
Die Formulierungen in § 18.2 des Mietvertrages stellen allein darauf ab, wann der Gebrauch durch das Aussehen der Räume mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird, und verlangen regelmäßige laufende Schönheitsreparaturen ohne Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Verursachung des Renovierungsbedarfs. In der für den Beklagten als Gegner der Klauselverwenderin ungünstigsten Auslegung könnte der Beklagte bei entsprechendem Zustand der Mieträume sogar bereits unmittelbar nach Abschluss des Mietvertrages aus 2009 zur Renovierung verpflichtet sein, obwohl die Abnutzung der Mieträume nicht auf ihn zurückgeht. Es ist auch nicht möglich, die streitgegenständliche Formularklausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil zu trennen ("blue-pencil-test") und damit einen zulässigen Teil der Klausel aufrecht zu erhalten. Dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin dem Beklagten keinen Ausgleichsbetrag zahlte, steht sogar fest.
Weiter steht fest, dass das Mietobjekt bei Abschluss des Mietvertrages vom 9. Oktober 2009 nicht renoviert gewesen ist: Der Beklagte nutzte die Räumlichkeiten bereits seit dem Jahr 2004; der Mietvertrag aus dem Jahr 2009 stellte damit einen Anschlussmietvertrag dar. § 1.3 des Mietvertrages vom 9. Oktober 2009 verhält sich zum Zustand des Mietobjekts gerade nicht. Dort steht nur, dass
"die Mietsache [im Übrigen] in dem Zustand übergeben [werde], in dem der Mieter sie bereits kennt und wie sie im Übergabeprotokoll dokumentiert ist".
sowie in § 2.2 und § 2.3 weiter:
"Das Mietobjekt wird dem Mieter nach eingehender Besichtigung übergeben wie es steht und liegt."
"Bei Übergabe des Mietobjekts ist ein Übergabeprotokoll zu erstellen. Inhalt des Protokolls sind insbesondere Zustand, etwaige Mängel oder Schäden und von dem Vermieter gegebenenfalls noch durchzuführende Restarbeiten. Das Protokoll wird als Anlage dem Mietvertrag beigefügt."
Das Übergabeprotokoll wiederum enthält auf Seite 3 (Anlage B 6, Bl. 73 d. A.) in der "Mängelliste" nur den Eintrag:
"Es handelt sich um einen Anschlussmietvertrag, weshalb auf eine formale Übergabe verzichtet wird."
Eine Übergabe im renovierten Zustand, ist damit an keiner Stelle dokumentiert. Die Behauptung des Beklagten, dass er das Mietobjekt bereits bei seinem Einzug im Jahr 2004 unrenoviert übernommen und die Rechtsvorgängerin der Klägerin auch bei Abschluss des Folgemietvertrages im Jahr 2009 keine Renovierung des Mietobjekts durchgeführt habe, hat die Klägerin nicht substantiiert bestritten und unter Beweis gestellt, obwohl sie sich bei ihrer Rechtsvorgängerin hätte informieren können und müssen, die aus eigener Wahrnehmung den Zustand des Mietobjekts bei Abschluss des Mietvertrages vom 9. Oktober 2009 kennen müsste. Denn wenn wer ein Recht auf Grund gesetzlichen Forderungsübergangs - hier §§ 566 Abs. 1, 578 Abs. 2, Abs. 1 BGB - geltend macht, kann nicht mit Nichtwissen bestreiten, wenn es ihm möglich ist, sich die erforderlichen Kenntnisse vom (früheren) Rechtsinhaber zu beschaffen (vgl. Greger in Zöller, 31. Auflage, § 138 ZPO Rn. 16).
(2) Darüber hinaus fehlt es an den weiteren Voraussetzungen des § 280 Abs. 3 in Verbindung mit § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil die Klägerin den Beklagten zu keinem Zeitpunkt eine Frist zur Durchführung der von ihr als notwendig erachteten Schönheitsreparaturen gesetzt hat. Der Beklagte hat diese auch zu keinem Zeitpunkt ernsthaft und endgültig verweigert (§ 281 Abs. 2 BGB).
c) Die Erneuerung des Teppichbodens gehört ohne - im vorliegenden Fall fehlende - besondere Vereinbarung ohnehin nicht zu den Schönheitsreparaturen (vgl. Senat, NZM 1998, 158). Das schließt zwar einen Schadensersatzanspruch des im Eigentum des Vermieters stehenden Teppichbodens nicht aus. Im vorliegenden Fall ergibt sich für den Teppichboden jedoch insbesondere auch aus §§ 538, 280 Abs. 1; 823 Abs. 1; 249 Abs. 2 BGB kein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten, weil bereits nicht feststeht, dass der Beklagte den Teppichboden dadurch beschädigt hat, dass er ihn in einem Maße genutzt hat, das über den vertragsgemäßen Gebrauch hinausgeht, oder den Teppich zerstört hat und dass infolgedessen ein vollständiger Austausch des Teppichbodens erforderlich ist:
Für die Art der - irreparablen - Beschädigungen hat sich die Klägerin auf Lichtbilder auf einer CD-ROM (Anlage K 8, Anlagenband Kläger), ausgedruckt vorgelegt als Anlagenkonvolut K 16 zur Berufungsbegründung (Bl. 172 - 175 d. A.), bezogen. Diese zeigen jedoch nur Ausschnitte des betroffenen Teppichbodens mit Flecken, aber keine Zerstörung der Substanz. Selbst wenn der Beklagte diese Flecken während des Mietverhältnisses durch unsachgemäßen Gebrauch verursacht haben sollte, lässt sich anhand dieser Lichtbilder nicht erkennen, welche Intensität diese Verschmutzungen haben und warum die Klägerin diese Flecken nur durch einen (vollständigen) Austausch des Teppichbodens statt zB eine gründliche Reinigung beseitigen kann. Auch der weitere Vortrag der Klägerin, dass der Zeuge A. und weitere Zeugen festgestellt hätten, dass der Teppichboden in Raum 0.34 A + B / 0.35 insgesamt beschädigt und zu ersetzen sei, lässt nicht erkennen, worin genau die irreparable Beschädigung (der Substanz) bestehen soll und warum die Zeugen zu der Schlussfolgerung gelangt sein sollen, dass nur eine vollständige Erneuerung in Betracht komme. Die vom Zeugen A. aufgenommenen Beschädigungen sind mitnichten offensichtlich. Auf eine Vernehmung der benannten Zeugen kommt es daher nicht an, sie liefe auf eine Ausforschung hinaus. Ergänzender Vortrag im Berufungsverfahren dürfte nicht nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 3 ZPO zuzulassen sein, weil es der Klägerin oblegen hätte, die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruches von vornherein vereinzelt vorzutragen und unter Beweis zu stellen und zwar erst recht, nachdem der Beklagte mit der Klagerwiderung vom 29. September 2015 eingewandt hatte, dass Maßnahmen am Teppichboden jedenfalls nicht zu den geschuldeten Schönheitsreparaturen gehörten.
Ohne Feststellung der Zerstörung des Teppichbodens steht auch die Notwendigkeit seiner Erneuerung nicht fest. Es kann daher dahinstehen, ob die Klägerin den Teppichboden nicht ohnehin bereits wegen seines - streitigen - Alters hätte austauschen müssen, so dass es an der Kausalität der behaupteten Beschädigungen für die Erneuerung fehlen würde. Auf die Frage der Erforderlichkeit und Angemessenheit der Kosten für einen Austausch kommt es bereits nicht mehr an. Nachdem die Klägerin ihren eigenen Angaben in der Anspruchsbegründung vom 18. August 2015 (dort Seite 12, Bl. 39 d. A.) zufolge die "erforderlichen Schönheitsreparaturen pp." bereits ausgeführt hat, kommt die Begutachtung durch einen Sachverständigen ohnehin nicht mehr in Betracht.
Die Frage der Verjährung etwaiger Ansprüche der Klägerin nach § 548 Abs. 1 BGB kann daher ebenfalls dahinstehen.
2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Sachverständigen A. in Höhe von 1.627,20 Euro (nebst Verzugszinsen) und der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 727,09 Euro (nebst Prozesszinsen), weil dafür weder die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1; 823 Abs. 1 BGB noch des § 280 Abs. 2 BGB vorliegen:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten bereits dem Grunde nach keinen Schadensersatzanspruch wegen der Nichtdurchführung von Schönheitsreparaturen oder der Nichterneuerung des Teppichbodens, zu dem die Kosten der Ermittlung der Schadenshöhe und die Kosten der Rechtsverfolgung als weitere Schadenspositionen hinzukommen könnten. Erst recht befindet sich der Beklagte nicht in Verzug mit einem solchen Anspruch oder einem Anspruch auf Ausgleichszahlung für nichtdurchgeführte Schönheitsreparaturen.
II.
Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung ist auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich, und eine mündliche Verhandlung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten. Gegenteiliges zeigt die Berufung der Klägerin auch nicht auf.
Mit der beabsichtigten Entscheidung sieht der Senat sich vielmehr in Überstimmung mit den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen sowohl zur (Un-)Wirksamkeit der formularvertraglich vereinbarten Überwälzung von Schönheitsreparaturen als auch zur Übertragbarkeit der Kriterien für die Wohnraummiete auf die Gewerberaummiete. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht anzunehmen, weil es sich bei der Problematik der Unwirksamkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage handelt. Davon wäre nur auszugehen, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist, weil sie vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden ist und in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird oder wenn sie in der Literatur in gewissem Umfang umstritten ist, insbesondere wenn abweichende Ansichten in der Literatur nicht vereinzelt geblieben sind (vgl. BGH ZIP 2010, 985 Tz. 3). Diese Voraussetzung liegen hier jedoch nicht vor.
Achtung Mieter: Zahlung von Betriebskosten auch unter Vorbehalt problematisch bei Rückforderung
24.05.2016
Quelle: IBRRS 2016, 2053
Wohnraummiete
Betriebskosten unter Vorbehalt bezahlt: Rückforderung problemlos?
LG Berlin, Beschluss vom 24.05.2016, 67 S 149/16
BGB §§ 389, 535 Abs. 2, § 814; ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
1. Gleicht der Mieter auf eine Betriebskostennachforderung des Vermieters den in der Abrechnung ausgewiesenen Nachforderungsbetrag aus, trägt der Mieter im Rückforderungsprozess die Darlegungs- und Beweislast für die materielle Unrichtigkeit der Abrechnung.*)
2. Ein vom Mieter bei der Zahlung erklärter Vorbehalt ändert an dieser Beweislastverteilung nichts, sofern sich aus der Erklärung nicht unmissverständlich ergibt, dass der Mieter nicht nur die Wirkung des § 814 BGB ausschließen, sondern dem Vermieter für einen späteren Rückforderungsstreit auch die Beweislast für die materielle Richtigkeit der Abrechnung aufbürden wollte.*)
LG Berlin, Beschluss vom 24.05.2016 - 67 S 149/16
In dem Rechtsstreit
...
hat die Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin am 24.05.2016 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Reinke und die Richterinnen am Landgericht Ehrensberger und Rumpff
beschlossen:
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung als offensichtlich unbegründet im Beschlusswege zurückzuweisen.
Gründe:
I.
Die - vom Amtsgericht zugelassene - Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich unbegründet ist und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen.
Das Amtsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zutreffend zur Zahlung der Restmiete von 114,39 EUR für September 2014 verurteilt. Der gemäß § 535 Abs. 2 BGB begründete Zahlungsanspruch der Klägerin ist nicht gemäß § 389 BGB durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit Rückforderungsansprüchen aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 8. Oktober 2013 erloschen. Der - im zweiten Rechtszug lediglich weiterverfolgte - Anspruch auf Rückzahlung rechtsgrundlos erbrachter Zahlungen auf die von der Klägerin abgerechneten Hauswartskosten in Höhe von 74,40 EUR steht der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu, da die von ihr insoweit geleisteten Nachzahlungen nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sind. Dagegen vermag die Berufung im Ergebnis nichts zu erinnern.
Es ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend, dass der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast für die materielle Richtigkeit der Nebenkostenabrechnung und damit auch für die Abrechnungsposition "Hauswart" trägt; sie umfasst auch die Höhe eines von ihm vorgenommenen Abzugs nicht umlagefähiger Verwaltungs-, Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten (vgl. BGH, Urt. v. 20. Februar 2008 - VIII ZR 27/07, NJW 2008, 1801 Tz. 29). Allerdings gilt diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast allein im Nachforderungsprozess des Vermieters, nicht hingegen im Rückforderungsprozess des Mieters, in dem dieser den Vermieter nach Ausgleich des Abrechnungssaldos aus ungerechtfertigter Bereicherung auf vollständige oder teilweise Rückerstattung der geleisteten Nachzahlung in Anspruch nimmt. In diesem trägt der Mieter als Kondiktionsgläubiger die Beweislast für die materielle Unrichtigkeit der Abrechnung als fehlendem Rechtsgrund für die geleistete Nachzahlung (vgl. BGH, Urt. v. 18. Februar 1987 - VIII ZR 93/86, NJW-RR 1987, 783, 784; Zehelein, in: Langenberg/Zehelein, Betriebs- und Heizkostenrecht, 8. Aufl. 2016, Kap. J Rz. 108). Ihrer Beweislast ist die Beklagte - bereits mangels Beweisantritts - nicht gerecht geworden, so dass dahinstehen kann, ob die vom Amtsgericht nach Einvernahme des von der Klägerin benannten Zeugen zu deren Gunsten vorgenommene Beweiswürdigung zutreffend war.
Keine der Beklagen günstigere Verteilung der Darlegungs- und Beweislast rechtfertigt der von ihr lediglich unter dem "Vorbehalt der Prüfung" vorgenommene Ausgleich des sich aus der Abrechnung ergebenden Nachforderungsbetrages. Leistet ein Schuldner unter Vorbehalt, kann ein solcher Vorbehalt unterschiedliche Bedeutung haben: Im Allgemeinen will der Schuldner lediglich dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB ausschließen, sich also die Möglichkeit offenhalten, das Geleistete gemäß § 812 BGB zurückzufordern; ein Vorbehalt dieser Art stellt die Ordnungsmäßigkeit der Erfüllung nicht in Frage. Anders ist es ausnahmsweise dann, wenn der Schuldner in der Weise unter Vorbehalt leistet, dass den Leistungsempfänger für einen späteren Rückforderungsstreit die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs treffen soll. Ein Vorbehalt dieser Art ist keine Erfüllung i. S. von § 362 Abs. 1 BGB. Er liegt insbesondere dann vor, wenn ein Schuldner während eines Rechtsstreits zahlt und seine Rechtsverteidigung fortsetzt, weil damit zum Ausdruck kommt, dass die Zahlung auf den Ausgang des Rechtsstreits keinen Einfluss haben soll (vgl. BGH, Urt. v. 6. Oktober 1998 - XI ZR 36/98, NJW 1999, 494 Tz. 36).
Gemessen an diesen Grundsätzen sollte der vorgerichtlich erklärte Vorbehalt der Beklagten unter Zugrundelegung der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB lediglich die Wirkung des § 814 BGB ausschließen, der Klägerin für einen späteren Rückforderungsstreit nicht jedoch auch noch die Beweislast für die materielle Richtigkeit der Abrechnung aufbürden. Ein entsprechend weit gefasster Vorbehalt muss unmissverständlich erklärt werden. Daran fehlt es. Das folgt nicht nur aus dem insoweit unergiebigen Wortlaut der Vorbehaltserklärung, sondern auch aus dem späteren Verhalten der Beklagten, das für die Auslegung ebenfalls herangezogen werden kann (vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 133 Rz. 17 m. w. N.). Denn die Beklagte hat die Ordnungsmäßigkeit der Erfüllung durch die von ihr vorgenommene Zahlung weder vorgerichtlich noch im Rahmen des von der Klägerin seit nunmehr nahezu eineinhalb Jahren geführten Zahlungsprozesses jemals in Frage gestellt, sondern sie stattdessen auch ausweislich der von ihr erklärten Primäraufrechnung stets als wirksam erachtet.
II.
Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. Juni 2016, auch zur Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin.
Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht in jeder Hinsicht mit der Verfassung vereinbar
Mit am 17. Dezember 2014 verkündetem Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts §§ 13a und 13b und § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer‑ und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) für verfassungswidrig erklärt. Die Vorschriften sind zunächst weiter anwendbar; der Gesetzgeber muss bis 30. Juni 2016 eine Neuregelung treffen. Zwar liegt es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen. Die Privilegierung betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Ebenfalls unverhältnismäßig sind die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 %. §§ 13a und 13b ErbStG sind auch insoweit verfassungswidrig, als sie Gestaltungen zulassen, die zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führen. Die genannten Verfassungsverstöße haben zur Folge, dass die vorgelegten Regelungen insgesamt mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind. Die Entscheidung ist im Ergebnis und in der Begründung einstimmig ergangen; davon unberührt bleibt das von den Richtern Gaier und Masing sowie der Richterin Baer abgegebene Sondervotum.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Miterbe des 2009 verstorbenen Erblassers. Der Nachlass setzte sich aus Guthaben bei Kreditinstituten und einem Steuererstattungsanspruch zusammen. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer mit einem Steuersatz von 30 % nach Steuerklasse II fest. Der Kläger macht geltend, die nur für das Jahr 2009 vorgesehene Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III sei verfassungswidrig. Einspruch und Klage, mit denen er eine Herabsetzung der Steuer erreichen wollte, blieben erfolglos. Im Revisionsverfahren hat der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 27. September 2012 dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob § 19 Abs. 1 ErbStG in der 2009 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 13a und 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist. Die Gleichstellung von Personen der Steuerklassen II und III in § 19 Abs. 1 ErbStG sei zwar verfassungsrechtlich hinzunehmen, jedoch sei diese Vorschrift in Verbindung mit den Steuervergünstigungen der §§ 13a und 13b ErbStG gleichheitswidrig. Ergänzend wird hierzu auf die Pressemitteilung Nr. 53/2014 vom 12. Juni 2014 verwiesen.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
1. Die Vorlage des Bundesfinanzhofs ist im Wesentlichen zulässig. Art. 3 Abs. 1 GG verleiht Steuerpflichtigen keinen Anspruch auf verfassungsrechtliche Kontrolle steuerrechtlicher Regelungen, die Dritte gleichheitswidrig begünstigen, das eigene Steuerrechtsverhältnis aber nicht betreffen. Anderes gilt jedoch, wenn Steuervergünstigungen die gleichheitsgerechte Belastung durch die Steuer insgesamt in Frage stellen. Für das Ausgangsverfahren kommt es zwar nicht unmittelbar auf die Auslegung und Anwendung der §§ 13a und 13b ErbStG an. Dennoch durfte der Bundesfinanzhof von ihrer Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren ausgehen. Die vom Bundesfinanzhof geltend gemachten Gleichheitsverstöße sind so erheblich, dass sie die erbschaftsteuerrechtliche Begünstigung für betriebliches Vermögen insgesamt erfassen; zudem ist die Privilegierung betrieblichen Vermögens in der Summe von solchem Gewicht, dass im Falle ihrer Verfassungswidrigkeit die Besteuerung nichtbetrieblichen Vermögens davon nicht unberührt bleiben könnte.
2. Für die vorgelegten Normen besteht eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG. Im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG ist eine bundesgesetzliche Regelung nicht erst dann, wenn sie unerlässlich für die Rechts- oder Wirtschaftseinheit ist. Es genügt vielmehr, dass der Bundesgesetzgeber problematische Entwicklungen für die Rechts- und Wirtschaftseinheit erwarten darf. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, prüft das Bundesverfassungsgericht, wobei dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf diese Bedingungen einer bundesgesetzlichen Regelung und deren Erforderlichkeit im gesamtstaatlichen Interesse zusteht. Im vorliegenden Fall durfte der Bundesgesetzgeber davon ausgehen, dass ohne bundesgesetzliche Regelung eine Rechtszersplitterung mit nicht unerheblichen Nachteilen für Erblasser und Erwerber betrieblichen Vermögens wie auch für die Finanzverwaltung zu befürchten wäre.
3. Die erbschaftsteuerliche Begünstigung des Übergangs betrieblichen Vermögens verstößt in Teilen gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber im Steuerrecht einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstands als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich ebenfalls am Gleichheitssatz messen lassen. Sie bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, für den die Anforderungen an die Rechtfertigung mit Umfang und Ausmaß der Abweichung steigen.
Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, mit Hilfe des Steuerrechts außerfiskalische Förderziele zu verfolgen. Er verfügt über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält und welche Verschonungen von der Steuer er zur Erreichung dieser Ziele vorsieht. Allerdings bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Je nach Intensität der Ungleichbehandlung kann dies zu einer strengeren Kontrolle der Förderziele durch das Bundesverfassungsgericht führen.
b) Die Verschonungsregelung als solche ist im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, bedarf beim Übergang großer Unternehmensvermögen aber der Korrektur.
aa) Die Verschonungsregelung führt zu Ungleichbehandlungen der Erwerber betrieblichen und nichtbetrieblichen Vermögens, die ein enormes Ausmaß erreichen können. Nach §§ 13a und 13b ErbStG bleiben 85 % oder 100 % des Wertes von Betriebsvermögen, von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und von bestimmten Anteilen an Kapitalgesellschaften außer Ansatz, wenn die im Gesetz hierfür vorgesehenen weiteren Voraussetzungen erfüllt werden. Hinzu kommen Abschläge gemäß § 13a Abs. 2 ErbStG sowie die generelle Anwendung der günstigeren Steuerklasse gemäß § 19a ErbStG.
bb) Der Gesetzgeber unterliegt einer strengeren Kontrolle am Maßstab der Verhältnismäßigkeit, weil die Unterscheidung zwischen begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen nicht nur einen Randbereich erfasst, denn mehr als ein Drittel des in den Jahren 2009 bis 2012 unentgeltlich übertragenen Vermögens wurde über §§ 13a und 13b ErbStG von der Erbschaftsteuer befreit. Außerdem haben die Erwerber vielfach nur geringen Einfluss darauf, ob das ihnen geschenkte oder von ihnen ererbte Vermögen dem förderungswürdigen Vermögen zuzuordnen ist.
cc) Die Verschonungsregelung soll vor allem Unternehmen schützen, die durch einen besonderen personalen Bezug des Erblassers oder des Erben zum Unternehmen geprägt sind, wie es für Familienunternehmen typisch ist. Steuerlich begünstigt werden soll ihr produktives Vermögen, um den Bestand des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze nicht durch steuerbedingte Liquiditätsprobleme zu gefährden. An der Legitimität dieser Zielsetzung bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Zweifel.
dd) Die §§ 13a und 13b ErbStG sind geeignet und im Grundsatz auch erforderlich, um die mit ihnen verfolgten Ziele zu erreichen. Der Gesetzgeber verfügt insoweit über einen weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum. Vor diesem Hintergrund ist es ausreichend, dass er eine ernsthafte Gefahr von Liquiditätsproblemen bei der Besteuerung des unentgeltlichen Übergangs von Unternehmen vertretbar und plausibel diagnostiziert hat; eines empirischen Nachweises von Unternehmensgefährdungen nicht nur im Ausnahmefall bedarf es nicht. Die Verschonung von einer Bedürfnisprüfung abhängig zu machen, wäre schon deswegen nicht als milderes Mittel anzusehen, weil sie - insbesondere aufgrund von Bewertungsfragen - Erschwernisse bei der Erhebung der Erbschaftsteuer mit sich brächte. Auch die Stundung erwiese sich nicht als gleich wirksames milderes Mittel.
ee) Die durch die Verschonungsregelung bewirkte Ungleichbehandlung ist im Grundsatz verhältnismäßig im engeren Sinne, auch soweit sie eine Steuerverschonung von 100% ermöglicht. Der Gesetzgeber ist weitgehend frei in seiner Entscheidung, welche Instrumente er dafür einsetzt, eine zielgenaue Förderung sicherzustellen. In Anbetracht des erheblichen Ausmaßes der Ungleichbehandlung stünde es nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang, eine umfassende Verschonung ohne jegliche Bedingungen zu gewähren.
Unverhältnismäßig ist die Privilegierung betrieblichen Vermögens, soweit sie über kleine und mittlere Unternehmen ohne eine Bedürfnisprüfung hinausgreift. Hier erreicht die Ungleichbehandlung schon wegen der Höhe der steuerbefreiten Beträge ein Maß, das ohne die konkrete Feststellung der Verschonungsbedürftigkeit des erworbenen Unternehmens mit einer gleichheitsgerechten Besteuerung nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, präzise und handhabbare Kriterien zur Bestimmung der Unternehmen festzulegen, für die eine Verschonung ohne Bedürfnisprüfung nicht mehr in Betracht kommt.
c) Die Verschonungsregelung der §§ 13a und 13b ErbStG verstößt auch in Teilen ihrer Ausgestaltung gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
aa) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Festlegung der begünstigten Vermögensarten. Die Mindestbeteiligung von über 25 % bei Kapitalgesellschaften scheidet bloße Geldanlagen aus. Bei einer Beteiligung von über 25 % durfte der Gesetzgeber von einer unternehmerischen Einbindung des Anteilseigners in den Betrieb ausgehen; im Übrigen ist die Festlegung einer Mindestbeteiligung durch die Typisierungs- und Vereinfachungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt. Sie ist auch nicht verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, weil das Gesetz auf die Verhältnisse beim Erblasser abstellt und auf Erwerberseite kein personaler Einfluss auf das Unternehmen mehr vorhanden sein muss. Der Gesetzgeber darf an einer übergreifenden Systematik, die insgesamt gute Gründe hat, auch dort festhalten, wo auf andere Weise bessere Lösungen möglich sind.
Die generelle Begünstigung des Erwerbs von Anteilen an Personengesellschaften ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar. Sie findet ihre Grundlage in der unterschiedlichen zivilrechtlichen Behandlung des Vermögens von Personen- und Kapitalgesellschaften; der Gesetzgeber bewegt sich insoweit im Rahmen seines Einschätzungs- und Typisierungsspielraums. Auch bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben durfte der Gesetzgeber von einer unternehmerischen Einbindung jeglicher Beteiligung ausgehen; diese Betriebe werden zudem in besonders hohem Maße als Familienbetriebe ohne größere Kapitaldecke geführt.
bb) Die Lohnsummenregelung ist im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, nicht jedoch die Freistellung von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten. Sie verfolgt das legitime Ziel, Arbeitsplätze zu erhalten. Die Entscheidung des Gesetzgebers für die Lohnsummenregelung anstelle einer strikten Bindung an den Erhalt der konkreten Arbeitsplätze liegt innerhalb seines Gestaltungsspielraums.
Die Freistellung von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten verstößt jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Regelung verfolgt insbesondere das Ziel der Verwaltungsvereinfachung. Erwerber von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten werden jedoch unverhältnismäßig privilegiert. Nach den Ausführungen des Bundesfinanzhofs weisen weit über 90 % aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte auf. Betriebe können daher fast flächendeckend die steuerliche Begünstigung ohne Rücksicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen beanspruchen, obwohl der mit dem Nachweis und der Kontrolle der Mindestlohnsumme verbundene Verwaltungsaufwand nicht so hoch ist wie teilweise geltend gemacht wird. Die Grenze einer zulässigen Typisierung wird überschritten, da das Regel-Ausnahme-Verhältnis der gesetzgeberischen Entlastungsentscheidung faktisch in sein Gegenteil verkehrt wird. Sofern der Gesetzgeber an dem gegenwärtigen Verschonungskonzept festhält, wird er die Freistellung von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzen müssen.
cc) Die Behaltensfrist von fünf oder sieben Jahren ist im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, zumal sie durch Lohnsummenregelung und Verwaltungsvermögenstest angemessen ergänzt wird.
dd) Die Regelung über das Verwaltungsvermögen ist nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Ziele des Gesetzgebers, nur produktives Vermögen zu fördern und Umgehungen durch steuerliche Gestaltung zu unterbinden, sind zwar legitim und auch angemessen. Dies gilt jedoch nicht, soweit begünstigtes Vermögen mit einem Anteil von bis zu 50 % Verwaltungsvermögen insgesamt in den Genuss der steuerlichen Privilegierung gelangt. Ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund für eine derart umfangreiche Einbeziehung von Vermögensbestandteilen, die das Gesetz eigentlich nicht als förderungswürdig ansieht, ist nicht erkennbar. Das Ziel, steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden, kann die Regelung kaum erreichen; im Gegenteil dürfte sie die Verlagerung von privatem in betriebliches Vermögen eher begünstigen. Auch ein spürbarer Verwaltungsvereinfachungseffekt ist nicht erkennbar, denn der Anteil des Verwaltungsvermögens ist auch für die Anwendung der 50 %-Regel zu ermitteln. Schließlich ist die Regelung nicht mit der Typisierung des § 13b Abs. 4 ErbStG in Einklang zu bringen, nach der jedes Unternehmen über nicht begünstigungsfähiges Verwaltungsvermögen im Umfang von 15 % des gesamten Betriebsvermögens verfügen soll.
ee) Ein Steuergesetz ist verfassungswidrig, wenn es - über den atypischen Einzelfall hinaus - Gestaltungen zulässt, mit denen Steuerentlastungen erzielt werden können, die es nicht bezweckt und die gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind. Dies ist der Fall bei Gestaltungen, welche die Lohnsummenpflicht durch Betriebsaufspaltungen umgehen, welche die 50 %-Regel in Konzernstrukturen nutzen und bei sogenannten Cash-Gesellschaften.
(1) Da bereits die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Pflicht zur Einhaltung der Mindestlohnsumme eine unverhältnismäßige Privilegierung darstellt, gilt dies erst recht für Gestaltungen, die die unentgeltliche Übertragung von Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten ohne Einhaltung der Lohnsummenvorschrift ermöglichen. Der Bundesfinanzhof führt als Gestaltungsbeispiel an, dass ein Betrieb mit mehr als 20 Beschäftigten in eine Besitzgesellschaft und eine Betriebsgesellschaft aufgespalten wird. Indem § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG es zulässt, dass die Bindung an die Lohnsumme auf diese Weise umgangen wird, verstößt er gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
(2) Da der Verwaltungsvermögenstest dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ folgt, ist die Beteiligung an einer Gesellschaft insgesamt nicht dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen, wenn ihr Anteil an Verwaltungsvermögen 50 % oder weniger beträgt. Bei mehrstufigen Konzernstrukturen kann dies zu einem Kaskadeneffekt führen. Bei einer Beteiligung auf unterer Stufe mit einem Verwaltungsvermögen von bis zu 50 % entsteht dort insgesamt begünstigtes Vermögen, das auf der nächsthöheren Beteiligungsstufe vollständig als begünstigtes Vermögen gewertet wird, obwohl bei einer Gesamtbetrachtung des Konzerns der Verwaltungsvermögensanteil überwiegt. Indem die Vorschrift des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG solche Konzerngestaltungen zulässt, verstärkt sie den ohnehin bereits im Hinblick auf die Grundform der 50 %-Regel festgestellten Gleichheitsverstoß.
(3) Eine „Cash-GmbH“ ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Vermögen ausschließlich aus Geldforderungen besteht. Bis zum 7. Juni 2013 rechneten Geldforderungen nicht zum Verwaltungsvermögen. Für die steuerliche Privilegierung von Geldvermögen in einer ausschließlich vermögensverwaltenden „Cash-Gesellschaft“ sprechen offensichtlich keine Gründe von solchem Gewicht, dass sie eine vollständige und in der Höhe unbegrenzte Besserstellung gegenüber sonstigem nicht betrieblichem Geldvermögen oder sonstigem Verwaltungsvermögen tragen könnten.
4. Die festgestellten Gleichheitsverstöße erfassen die §§ 13a und 13b ErbStG insgesamt; dies gilt für die Ursprungsfassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 und alle Folgefassungen. Aufgrund der festgestellten Gleichheitsverstöße erweisen sich wichtige Elemente der §§ 13a und 13b ErbStG als verfassungswidrig. Ohne sie können die restlichen ‑ nicht beanstandeten ‑ Bestandteile nicht mehr sinnvoll angewandt werden. Auch § 19 Abs. 1 ErbStG, der die Besteuerung begünstigten wie nicht begünstigten Vermögens gleichermaßen betrifft, ist in der Verbindung mit §§ 13a und 13b ErbStG für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären. Die genannten Normen gelten bis 30. Juni 2016 fort; der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Neuregelung zu treffen. Die Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen begründet keinen Vertrauensschutz gegenüber einer bis zur Urteilsverkündung rückwirkenden Neuregelung, die einer exzessiven Ausnutzung der gleichheitswidrigen §§ 13a und 13b ErbStG die Anerkennung versagt.
Abweichende Meinung der Richter Gaier und Masing sowie der Richterin Baer:
Wir stimmen der Entscheidung zu, sind aber der Ansicht, dass zu ihrer Begründung ein weiteres Element gehört: das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Es sichert die Entscheidung weiter ab und macht ihre Gerechtigkeitsdimension erst voll sichtbar. Die Erbschaftsteuer dient nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst. Dass hier auch in Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit eine Herausforderung liegt, zeigt die Entwicklung der tatsächlichen Vermögensverteilung. Verwies schon Böckenförde in seinem Sondervotum zur Vermögensteuer für das Jahr 1993 darauf, dass 18,4 % der privaten Haushalte über 60 % des gesamten Nettogeldvermögens verfügten, lag dieser Anteil bereits im Jahr 2007 in den Händen von nur noch 10 %. Die Schaffung eines Ausgleichs sich sonst verfestigender Ungleichheiten liegt in der Verantwortung der Politik ‑ nicht aber in ihrem Belieben. Wie der Senat schon für die Gleichheitsprüfung betont, belässt die Verfassung dem Gesetzgeber dabei einen weiten Spielraum. Aufgrund seiner Bindung an Art. 20 Abs. 1 GG ist er aber besonderen Rechtfertigungsanforderungen unterworfen, je mehr von dieser Belastung jene ausgenommen werden, die unter marktwirtschaftlichen Bedingungen leistungsfähiger sind als andere. Die in der Entscheidung entwickelten Maßgaben tragen dazu bei, dass Verschonungsregelungen nicht zur Anhäufung und Konzentration größter Vermögen in den Händen Weniger führen.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014, Nr. 116/2014
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Einen Überblick über die gesetzlichen Verjährungsfristen erhalten Sie nachfolgend. Dieser Überblick ist nicht abschließend und nicht rechtsverbindlich:
In 2 Jahren verjähren
- Gewährleistungsansprüche aus Kaufverträgen ab Übergabe der Sache und
- Ansprüche aus dem Reiserecht ab geplantem Rückreisetermin.
In 3 Jahren verjähren
- Zahlungsansprüche aus Kauf- und Werkverträgen nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
In 5 Jahren verjähren
- Gewährleistungsansprüche bei Bauwerken nach Übergabe bzw. Abnahme des Bauwerks.
In 10 Jahren verjähren
- Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf die Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung.
- einige Schadenersatzansprüche.
In 30 Jahren verjähren
- titulierte Forderungen, also solche, die durch ein Urteil oder einen Vollstreckungsbescheid rechtskräftig festgestellt wurden, sowie
- Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen und teilweise sonstige Schadensersatzansprüche.
Mit Urteil vom 07.11.2013 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass auch dann ein rechtlicher Beistand im Rahmen eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens vom Kunden in Anspruch genommen werden darf, wenn für das jeweilige Verfahren grundsätzlich kein rechtlicher Beistand zwingend vorgeschrieben ist.
Grundlage für die Entscheidung war der folgende Sachverhalt:
Im konkreten Fall hatte ein Arbeitnehmer in den Niederlanden seinen Arbeitgeber auf Schadenersatz wegen ungerechtfertigter Entlassung verklagt. Als Beistand für das Gerichtsverfahren wählte der Arbeitnehmer einen Rechtsanwalt und forderte seine Rechtsschutzversicherung auf, die Kosten für den Anwalt zu übernehmen. Der Versicherer weigerte sich zu zahlen und bot dem Versicherungsnehmer stattdessen rechtlichen Beistand durch einen eigenen Mitarbeiter an, der allerdings kein ausgebildeter Rechtsanwalt war. Damit war der Arbeitnehmer nicht einverstanden. Der Streit über die Übernahme der Anwaltskosten für die Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber eskalierte bis zum Europäischen Gerichtshof, der am 7. November 2013 entschied, dass die Rechtsschutzversicherung die freie Anwaltswahl für den Versicherungsnehmer nicht einschränken darf.
Quelle: Deutscher Anwaltsverein (DAV); Mitteilung vom 19.11.2013 in Juraforum.de